Abstract

Nach OPPENHEIMER können Marktwirtschaften zwei sozialwirtschaftliche Ausprägungen annehmen. In der »kapitalistischen« oder »politische Ökonomie« genannten spielen Vormachtstellungen und herrschaftlich gesicherte Privilegien ein, sowie ist die »Bewirtschaftung« des Menschen durch den Menschen zur Profiterzielung seitens exklusiver Kapitalbesitzer vorrangiges Motiv. Das Gegenmodell der »reinen Ökonomie« hingegen beschreibt einen theoretisch denkbaren Zustand freien Marktzuganges aller Wirtschaftspersonen, die aufgrund ihrer Eigenbefähigungen soweit unabhängig voneinander sind, daß jede Möglichkeit der Ausbeutung verschwindet.

Der natürliche Pendant des Kapitalismus auf staatlicher Ebene ist die Oligokratie: die Herrschaft der wenigen über die vielen. Das Gegenmodell der Organisation einer Gesellschaft aus wirtschaftlich »Freien und Gleichen« ist die »Demokratie« oder besser »Akratie«. In ihr tritt die Herrschaft (Kratie) zurück zugunsten einer umfassenden Selbstverwaltung des Volkes (Demos) und gleicht sich ihrem Gegenbegriff an: der Genossenschaft.

Die beiden Grundfiguren wurden nach einer historisch orientierten Einführung in die Fragestellung vom Standpunkt der theoretischen Ökonomik sowie einer öffentlichen und einer privaten Volkswirtschaftspolitik aus betrachtet. Im ersten Fall ist der Staat Träger der gemeinnützigen Wirtschaftskunst. Ihm obliegt die Sorge für die wirtschaftliche Wohlfahrt der Gesamtheit, was in der Sache nicht immer gelingt, da er in vordemokratischer, oligokratischer Verfassung zugleich ökonomische Person des Klassennutzens der herrschenden Klasse ist. Im zweiten Fall wurde daraufhin das Genossenschaftswesen als Einrichtung der privaten Volkswirtschaftspolitik diskutiert. Auch von dieser Seite gibt es starke Impulse und Möglichkeiten, ausgrenzende Vorrechte durch Selbsthilfe zu brechen und den Kreis der vollberechtigten und vollbefähigten Personen hinsichtlich wirtschaftlicher und politisch-bestimmender Teilhabe zu erweitern. Die Genossenschaft als Einrichtung und Idee ist Teil und ein privater Träger des gesellschaftlichen Demokratisierungsprozesses wie der ökonomischen Liberalisierung im ursprünglichen, nach Vervollkommnung der Gesellschaft drängenden Sinne. Ihr Gipfelpunkt, die Gesellschaft der Freien und Gleichen, steht für OPPENHEIMERs Begriff des »liberalen Sozialismus«.

In dem Schlußkapitel der Arbeit wird die Perspektive diskutiert, die sich aus der Überwindung der Herrschaft und ihrer geistigen wie materiellen Institutionen im Genossenschaftswesen, dem Staat und der Wirtschaft ergibt. Die Arbeit endet mit einer Darstellung der OPPENHEIMERschen Zukunftserwartung.

Werner Kruck: Franz Oppenheimer -Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und Selbsthilfegesellschaft, Berlin 1997